Insektenwissen – Teil 1

Die Insekten sind die bei weitem artenreichste Klasse des Tierreichs. Fast 1
Million Insektenarten sind bisher beschrieben worden (60% aller Tierarten).
Ein Großteil der in den tropischen Regenwäldern lebenden Arten ist noch
nicht erfasst. Sie sind nicht nur die artenreichste Gruppe, sondern auch die
formenreichste. Während die primär flügellosen Insekten relativ artenarm
geblieben sind, haben die geflügelten Pterygota infolge Emanzipation vom
Bodenleben mit Ausnahme des Meeres nahezu alle terrestrischen und
aquatischen Lebensräume in einer ungeheuren Artenzahl erobert. In Europa
gibt es rund 100.000 Insektenarten, in Mitteleuropa etwa 40.000. Manche
Insekten treten in kaum vorstellbaren Mengen auf. So leben in
Termitenkolonien mehrere Millionen Individuen. Die Zahl der Tiere in
Heuschreckenschwärmen ist noch weitaus größer. Die von einem
Wanderschwarm eingenommene Fläche betrug 400 Quadratmeilen mit
schätzungsweise 40 Milliarden Individuen und einem Gesamtgewicht von
80.000 Tonnen.

Aus paläontologischen Untersuchungen und Vergleichen geht hervor, dass
Insekten seit über 300 Millionen Jahren auf der Erde existieren, ab
der Trias kam es bei diesen zu einer wahren Explosion der Arten- und
Formenvielfalt. Alle gegenwärtig anerkannten Insektenordnungen und knapp
zwei Drittel der Familien sind auch fossil belegt, wobei ihre tertiären
Artenzahlen gut mit ihren heutigen korrelieren. Eine Ausnahme bilden hier
die Schmetterlinge, die fossil weniger artenreich belegt sind. Die Insekten
und die Krebse (Crustacea) haben gemeinsame Vorfahren, während letztere
bei aquatischer Lebensweise blieben, eroberten erstere Land und Lüfte.
Beiden gemeinsam ist auch das Exoskelett aus Chitin (Monomer: Nacetylglucosamin)
und das Grundprinzip des segmentierten Körpers. Beim
Insektenkörper sind mehrere Segmente zu spezialisierten Körperteilen
verschmolzen: Caput, Thorax und Abdomen. Jedes Insekt besteht also aus
dem Kopf (mit Komplexaugen mit bis zu 28.000 Einzelaugen, Antennen und
Mundwerkzeugen), dem Thorax mit den 3 Beinpaaren (mit Herz und
Tracheen) und dem Abdomen (mit Gonaden, Malpighi-Gefäßen zur
Exkretion, Darm und Blutgefäßen).

Insekten sind mit Ausnahme der Ozeane in fast allen Lebensräumen und
Gebieten der Erde zu finden. Dabei existiert die größte Artenvielfalt in
den tropischen Gebieten, während in Extremlebensräumen wie
den Polargebieten, den Hochgebirgen und den küstennahen
Meeresgebieten nur sehr wenige, aber hochangepasste Insektenarten
leben. Einige Arten sind sehr stark spezialisiert und kommen entsprechend
nur in besonders geeigneten Lebensräumen vor, andere dagegen können in
fast allen Lebensräumen mit Ausnahme der Extremlebensräume leben und
wurden teilweise durch den Menschen weltweit verbreitet, so dass sie
heute Kosmopoliten sind. Zu letzteren gehören vor allem verschiedene Arten
der Schaben, Ameisen und Termiten sowie die als Nutztiere
gehaltenen Honigbienen.

Aufgrund ihrer Vielfalt haben Insekten heute beinahe jede ihrer Größe
angemessene ökologische Nische realisiert. Dabei spielt eine große Anzahl
der Arten eine bedeutende Rolle bei der Remineralisierung organischer
Stoffe im Boden, in der Bodenstreu, im Totholz und in anderen organischen
Strukturen. Zu dieser Gruppe gehören auch die Leichenzersetzer, die in
Tierleichen zu finden sind. Viele weitere Arten leben als Pflanzenfresser von
lebenden Pflanzenteilen, das Spektrum reicht dabei von Wurzelhaaren über
Holz bis hin zu Blättern und Blüten. Eine Reihe von Arten lebt als Nektarund
Pollensammler und spielt dabei eine wichtige Rolle bei
der Pflanzenbestäubung. Wieder andere Insekten leben in und an Pilzen
und ernähren sich von diesen. Eine große Gruppe von Insekten ernährt sich
räuberisch von anderen Insekten oder kleineren Beutetieren. Eine letzte
Gruppe stellen diejenigen Insekten dar, die sich von Teilen größerer Tiere
wie Haaren, Schuppen und ähnlichem ernähren. In diese Gruppe gehören
auch die zahlreichen Parasiten unter den Insekten, die beispielsweise Blut
saugen oder sich in lebenden Geweben entwickeln.

Eine Besonderheit innerhalb der Insekten stellen verschiedene Arten
von staatenbildenden Insekten dar. Diese Form des Zusammenlebens hat
sich mehrfach unabhängig voneinander bei den Termiten und
verschiedenen Hautflüglern (Ameisen, Bienen, Wespen) entwickelt. Bei
diesen Tieren kommt es zum Aufbau eines Insektenstaates, in dem die
Einzeltiere bestimmte Rollen innerhalb der Gesellschaft übernehmen. Häufig
kommt es dabei zur Bildung von Kasten, deren Mitglieder sich
morphologisch und in ihrem Verhalten gleichen. Bei vielen Ameisen findet
man beispielsweise Arbeiter, Soldaten und Nestpfleger. Die Fortpflanzung
übernehmen in diesen Fällen nur sehr wenige Geschlechtstiere innerhalb
des Insektenstaates, manchmal nur eine einzige Königin, die befruchtete
und unbefruchtete Eier legt.

Insekten legen meistens Eier. Der Furchungstyp ist superfiziell. Zwischen
Larve und Imago müssen zahlreiche Häutungen durchgeführt werden. Dabei
gibt es holometabole Insekten mit Metamorphose (Käfer, Schmetterlinge,
Zweiflügler), d.h. Zwischenschaltung der Verpuppungsphase zwischen
Larve und Imago und hemimetabole Insekten (z.B. Heuschrecken).

Insekten als Nützlinge: Hier an erster Stelle steht die Honigbiene, gefolgt
von Schlupfwespen zur biologischen Schädlingsbekämpfung, die Raupen
des Seidenspinners und Heuschrecken und Grillen als Nahrungsmittel
(Speiseinsekten). Auch in der pharmazeutischen Industrie werden
verschiedene Insekten eingesetzt, das bekannteste Beispiel stellen hierbei
die Spanische Fliege (Lytta vesicatoria) sowie einige weitere Ölkäfer dar, die
den Stoff Cantharidin produzieren. Als wissenschaftliche Versuchstiere
haben sich Drosophila melanogaster sowie verschiedene Heuschrecken und
Käferarten etabliert. Die Leichenzersetzer unter den Insekten, vor allem
die Larven verschiedener Fliegen und Käfer, spielen heute zudem eine
bedeutende Rolle in der Kriminalistik. Der Forschungszweig
der Entomologischen Forensik zur Aufklärung von Kriminalfällen basiert auf
der Erforschung dieser Tiere. Schmeißfliegenlarven werden in
der Wundheilung eingesetzt. Außerdem werden verschiedene Arten
der Schildläuse zur Produktion von Farbstoffen, Lacken oder Wachsen
genutzt wie z. B. Karmin (Cochenille) und Schellack. Die Rolle von Insekten
für die Funktion aller terrestrischen Ökosysteme und speziell den
Stoffumsatz ist wegen ihrer Allgegenwart normalerweise kaum
abzuschätzen.