Nitratbelastung des Grundwasserkörpers besser als dargestellt!

Ursachenforschung statt Sündenbockphilosophie:

Regionalbauernverband Starkenburg nimmt Stellung zum Artikel: „Aktuelle Messergebnisse liegen vor: Grundwasser in der Rheinebene bei Bürstadt mit Nitraten belastet“

Der „Grundwasserschutzverein“ VSG-Gewässerschutz berichtet von Nitratgehalten in Privatbrunnen von Lampertheim und Bürstadt von Nitratgehalten von bis zu 210 mg/Liter. Der Verursacher ist schnell ausgemacht: die hiesige Landwirtschaft.

Aus Erfahrungen wissen wir, dass Brunnen in privaten Schrebergärten hohe Nitratwerte aufweisen. Phosphatwerte über 200 mg/100 g Boden hat der Verfasser schon selbst gemessen. Woran liegt das: Auf den meist begrenzten Flächen werden sämtliche Nahrungsmittelabfälle kompostiert und als organischer Dünger verwendet. Dabei ist der Nährstoffeintrag (oft wird noch mineralisch zugedüngt) ein mehrfaches des Entzuges durch geerntetes Obst und Gemüse. Ganz drastisch wird es, wenn Tierhaltung in Gehegen dazukommt und jahrelang die Exkremente der Tiere lokal deponiert werden. Das ist schon seit Zeiten des Mittelalters so, dass um die Städte herum hohe Nitratwerte durch menschliche Aktivitäten auftraten. Auch sollen Kleingärtner nicht diffamiert werden. Eine Beratung ist hier dienlich, wobei strengere Maßnahmen nur in der Nähe von Wasserschutzgebieten erforderlich sind, aufgrund der geringen Ausdehnung der Gebiete.

Aufgrund umfangreicher eigener Messungen (anbei Excel-Tabelle) und Auswertung der Nitratwerte der Grundwasserdatenbank, rätseln selbst Experten, warum in intensiv bewirtschafteten Regionen mit zum Teil geringen Decklehmstärken und intensiver Beregnung, wie z. B. in Lampertheim, die Nitratgehalte der Beregnungsbrunnen sehr niedrig, d.h. zwischen 0 und 10 mg (jeweils pro Liter!), selten über 30 mg liegen. Im Bergsträßer Odenwald hingegen gibt es eine Stelle mit Nitratwerten um die 100 mg, wo nur extensive Landwirtschaft betrieben wird, das heißt nur Heu geerntet wird, wo sich alle Fachleute einig sind, dass hier die Landwirtschaft nicht als Verursacher in Frage kommt. In Gemeinden der rechten Rheinebene finden wir niedrige Nitratgehalte hinter den Gemeinden und hohe vor den Gemeinden bezüglich der Fließrichtung des Grundwassers. In Lampertheim liegen beispielsweise sämtliche Messbrunnen über 50 mg in der Gemeinde oder am Stadtrand. Ein Messbrunnen im Feld allerdings weist 170 mg auf. Nach Recherchen liegt er unmittelbar an einer Kleindeponie (Bombentrichter aus dem 2. Weltkrieg), während 100 m weiter ein zweiter Messbrunnen an einem Spargelacker seit 30 Jahren bis heute 0 mg aufweist. Deshalb muss dringend Ursachenforschung betrieben werden. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn die Landwirtschaft in absolut unproblematischen Gemarkungen ihre erfolgreiche Bewirtschaftung einschränkt. Es existieren überdies organisch/geologisch bedingte Nitratabbausysteme. Es herrscht wenig Klarheit darüber, ob sich die Redoxäquivalente (Huminstoffe/Pyrit), welche das Nitrat im Boden abbauen, verbrauchen oder durch wechselnde Grundwasserstände wieder regenerieren.

In Hessen haben wir 42 % Waldfläche, 15,5 % Siedlungs- und Verkehrsfläche und 28 % Ackerfläche. Das heißt, wir haben schon halb so viele versiegelte Flächen mit teilweise maroden Kanalsystemen, wie Ackerflächen. Ergo muss Ursachenforschung betrieben werden, die Landwirte sind keine Sündenböcke, sie haben ihren Düngerverbrauch seit Jahren gesenkt und nicht mehr gesteigert. Bei vielen Kulturen (Zuckerrüben, Zwiebeln, Spargel, Erdbeeren) wurde die Düngung halbiert, was durch konsequente Beratung geschah. Fast alle Betriebe sind mittlerweile zertifiziert, das heißt die ausgebrachten Düngermengen unterliegen einer strengen Aufsicht. Überdüngung ist nahezu ausgeschlossen.

Heute arbeiten wir intensiv bei der Wasserrahmenrichtlinie mit, es werden unzählige Bodenproben zur Bedarfsanalyse im Frühjahr und zur Kontrolle in Herbst gezogen. Viele Betriebe aus Lampertheim sind Leitbetriebe. Willi Billau ist Mitkoordinator bei der Weiterentwicklung der Maßnahmengebiete und Verfahren in Starkenburg sowie Mitarbeiter im Leuchtturmprojekt Nitrat des HLNUG. Es werden vermehrt Zwischenfrüchte angebaut, es erfolgt eine intensive, einzelbetriebliche Beratung. Wir werden weiter umweltschonend Obst, Gemüse und Feldfrüchte in der Region für die Region erzeugen. Unsere Tierhaltung in Hessen mit nur 0,6 Großvieheinheiten zeugt von geringer Viehdichte, von welcher ebenfalls keine Gefahren ausgehen.

Neueste Trendberechnungen aus 16 Bundesländern zeigen, dass der Anteil der Brunnen über 50 mg/l in 3 Bundesländern (BW, BB und NRW) stetig abnimmt, bei den anderen Bundesländern ist die Tendenz gleichbleibend. Aus Erfahrungen in BW, wo schon in den 80er Jahren umfangreiche Maßnahmen zur Nitratreduktion eingeleitet wurden (SchalVO) weiß man, dass es gut 30 Jahre dauern kann, biss die Verbesserungen unten messbar sind!

Dr. Willi Billau
Regionalbauernverband Starkenburg

Tabelle:
Kopie von NitratAmmoniumBrunnenwasser